Meisterstück
Sony hat das bisherige Spitzenmodell α7R kräftig überarbeitet und mit der Sony α7RII einen echten Volltreffer gelandet.
VON HANS-GÜNTHER BEER © ALLE FOTOS HANS-GÜNTHER BEER

Der Bildstabilisator sorgt bei einer 1/50 Sekunde Belichtungszeit aus der Hand und einer Brennweite von 85 Millimeter für knackscharfe Aufnahmen – und das bei 42 Megapixel Auflösung.
Auf diese Kamera haben ambitionierte Fotografen schon sehnsüchtig gewartet. Hatte der japanische Elektronikriese doch jüngst mit dem Modell α7II (Test in Pictures Magazin Ausgabe 4/2015) eindrucksvoll demonstriert, was man unter tiefgreifender Produktpflege versteht. Die Gerüchteküche brodelte dementsprechend heftig, und doch hat Sony jetzt mit α7RII die Erwartungen zum Teil deutlich übertroffen – und eigentlich eine komplett neue Kamera entwickelt. Verarbeitung und Ausstattung Schon auf den ersten Blick wird ein gravierender Unterschied zum Vorgänger deutlich: Das neue Top-Modell erhielt ebenfalls den ausgeprägten Gehäusegriff der α7II und liegt damit deutlicher besser in der Hand als der Vorgänger. Zusätzliche und besser positionierte Bedienungselemente, die auch griffiger gestaltet sind, verbessern die Bedienbarkeit. Die nunmehr zehn Bedientasten lassen sich aus insgesamt 64 Funktionen individuell belegen. Das Meisterstück bei der α7RII aber steckt im Innern des aufwändig gedichteten Magnesiumbodies: Der krachneue Exmor RBildsensor mit der enormen Auflösung von 42 Megapixel. Der Sensor verzichtet für bestmögliche Auflösung auf einen Tiefpassfilter und lagert in einem ebenfalls neu entwickelten Bildstabilisierungsmodul, das den Sensor in 5-Achsen bewegen kann. Dieser Bildstabilisator gleicht in drei Achsen sowohl vertikale und horizontale Verwackler des Fotografen aus, als auch Kipp- und Drehbewegungen – und das auch mit jedem (per Adapter, beispielsweise von Novoflex) montierten Fremdobjektiv. Sony spricht von einem Kompensationseffekt von 4,5 EV-Stufen. Im Test schaffte die Sony α7RII mit dem FE 70–200 mm F4 G OSS (mit dort abgeschaltetem Imagestablizer) bei 100 Millimetern Brennweite aus der Hand locker Belichtungszeiten von unter 1/60 Sekunde für knackscharfe Aufnahmen – wohlgemerkt bei einer Auflösung von 42 Megapixel (siehe auch Test der Canon 5DS/R ab Seite 26). Das ist ein äußerst beachtliches Ergebnis. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass mithilfe des Sony-Adapters LA-EA3 auch alle A-Mount-Objektive mit der α7RII zusammenarbeiten.
Der 24×36 Millimeter Exmor R-Sensor der α7RII wird erstmals bei einer Vollformat-Kamera von hinten belichtet. Die gegenüber der α7R erhöhte Anzahl von Leiterbahnen zum Auslesen der Fotodioden sitzen jetzt auf der Rückseite, wo sie quasi nicht mehr im Weg stehen. Die Dioden bekommen dadurch mehr Licht. Die obligatorischen Mikrolinsen, die das Aufnahmelicht auf die hier 42 Millionen Fotodioden bündeln, rücken außerdem näher an diese heran, die dadurch nochmals effektiver beleuchtet werden. Zudem bestehen die Leiterbahnen erstmals aus Kupfer statt Aluminium und schaufeln die Daten 3,5-mal schneller als bei der α7R in den Bionz X-Bildprozessor. Mehr Licht, also Photonen, auf die Dioden, bedeutet höherer Wirkungsgrad und damit auch weniger Rauschen. Deshalb trauten sich die Entwickler, der α7II auch eine für diese Auflösung fast spektakuläre Empfindlichkeit von maximal 102.400 ISO zu spendieren, die sicherlich nur in Ausnahmefällen sinnvoll ist. Aber bis zu 6.400 ISO, so zeigten die ersten Tests, darf von zumindest sehr rauscharmen Fotos gesprochen werden. Viele weitere Features hat die α7RII vom Vorgänger übernommen, oder von der α7II geerbt. So beispielsweise auch das nunmehr weit abklappbare RGBW-Display auf der Rückseite. Es löst mit 1.228 Millionen Pixel auf, besitzt eine sehr helle und kontrastreiche Darstellung, aber nach wie vor keine Touch-Funktion. Das OLED-Sucherdisplay offeriert eine Auflösung von 2,4 Millionen Bildpunkten und gehört dank der homogenen, fein aufgelösten und kontrastreichen Darstellung zu den besten seiner Art.
- Dank des neu gestalteten Gehäuses und der besser angeordneten Bedienelemente…
- …liegt die α7RII sehr gut in der Hand und lässt sich gut bedienen.
Neu ist nunmehr die 0,78-fache Vergrößerung mit hochwertigen vergüteten Linsen, die das Sucherbild riesig erscheinen lassen und selbst für Brillenträger zum Genuss machen. Einen optischen Sucher, der außerdem auch nicht annähernd diese Informationsfülle bieten könnte, vermisst man überhaupt nicht mehr. Der Sucher übertrifft nun sogar den der Fujifilm X-T1. Ein eingebautes Blitzgerät besitzt die α7RII nicht, dafür wäre in dem kompakten Gehäuse nun wirklich kein Platz mehr gewesen. Dafür verbauten die Entwickler jedoch einen komplett neuen Verschluss nebst neuem Hybrid-Autofokus. Der elektronisch gesteuerte Verschlussmechanismus, dessen mechanische Vibrationen die Entwickler nach eigenem Bekunden um 50 Prozent dämpfen konnten, ist, laut Sony, für 500.000 Auslösungen ausgelegt. Soll also bei 200 Auslösungen pro Kalendertag fast sieben Jahre halten. Im – ebenfalls neuen – Silent- Modus arbeitet er tatsächlich fast unhörbar und bietet gegenüber dem Vorgänger mehr als nur ein kleines Komfortfeature. Aber auch im Normalmodus arbeitet der Verschluss merkbar leiser. Der vergleichsweise kleine Akku mit einer Kapazität von lediglich 1020 mAh – das ist dem kompakten Gehäuse geschuldet – stellt für lange Aufnahmesessions allerdings das Nadelöhr dar, vorgeladene Reserveakkus sind obligatorisch. Im Studiobetrieb oder auch draußen, kann die α7RII jetzt allerdings via USB-Anschluss mit Strom versorgt werden, entweder vom Notebook oder mittels USB-Akkupack. Durch das schnelle Auslesen der Bilddaten schafft die α7RII, trotz der hohen Auflösung, Reihenaufnahmen mit maximal 5 Bildern pro Sekunde. Das ist insbesondere bemerkenswert, da der Bildsensor ja auch gleichzeitig die Autofokus- Informationen liefert. Auf stolze 399 Phasen AF-Punkte kann der Autofokus zurückgreifen, die weiträumig über die gesamte Bildfläche verteilt sind. Erfreulich präzise und schnell arbeitet der Autofokus auch im AF-C-Tracking Modus – wenn er richtig konfiguriert ist. Schnelle Sportarten sind so für die α7RII kein Problem. Werden AMount- Objektive mittels LA-EA3 an die Neue montiert, kann man im Kameramenü zwischen Phasen- und Kontrast- Autofokus wählen.

Der Abdruck dieses Fotos lässt das Schärfe- und Auflösungspotential der α 7R II nur erahnen und zeigt ein Viertel der Flache der ursprünglichen Aufnahme.
Ein besonders dickes Ausstattungspaket offeriert die α7RII im Videomodus. „Als erste Vollformatkamera beherrscht die α7RII 4K-Video mit interner Aufzeichnung ohne Pixel-Binning“, sagt Sony. Im Fullframe-Modus liefert der Bildsensor 35 Megapixel Auflösung im 16:9-Format, allerdings mit Pixel-Binning (hier werden sowohl Pixel innerhalb einer Zeile und einer Spalte zusammengefasst). Im sogenannten Super 35mm-Format, ein Standard für die Kinofilm- Produktion, nutzt die α7RII einen kleineren, inneren Bereich des Sensors bei einer Auflösung von 15 MP und damit 1,8-fach mehr Pixel als für 4KAufnahmen (8MP mit 3840x 2160 Bildpunkten) nötig wären. Dafür sind die sonst üblichen „Tricks“ wie Pixel-Binning oder Line-Skipping nicht notwendig. Wählt man als Datenformat XAVC S 4K, schafft die α7RII 30 Bilder pro Sekunde bei einer Bitrate von 100 MBit/s im 4:2:0/8-Bit-Format und speichert diese auf die eingesteckte SD-Karte – das kann die α7S nicht. Über den HDMIAnschluss soll die Kamera übrigens 4KRAW- Daten an einen externen Recorder liefern. Bei reduzierter Auflösung (1.280×720) ermöglicht die neue α7RII Videoaufnahmen mit 120 fps und zieht auch hiermit gegenüber der α7S gleich, die damit in dieser Disziplin das Zepter an die α7RII abgeben muss.
- Bei aktivierten Kachelmenü ist der Zugriff auf das Menü besonders einfach.
- Die FN-Taste aktiviert ein eingeblendetes Menü, mit dem sich die zwölf wichtigsten Funktionen direkt aufrufen lassen.
- Wie bei allen modernen Kameras ist im Aufnahmemodus das Display überfrachtet. Dies lässt sich aber reduzieren.
- Die zehn Funktionstasten inklusive der Bedienwippe der α7RII kann man aus 64 Funktionen individuell belegen.
- Im Videomodus lässt sich die α7RII an alle Bedürfnisse bis hin zum 4K-Modus anpassen.
- Die besten Video-Ergebnisse liefert die Kamera im XAVC S 4K-Format mit dann maximal 30 Bildern pro Sekunde bei einer Datenrate von 100 Mbit/s.
Die α7RII in der Praxis
Wie schon erwähnt, liegt das neue Top-Modell von Sony trotz der nach wie vor kompakten Abmessungen sehr gut in der Hand. Die 150 Gramm Mehrgewicht gegenüber dem Vorgänger sind dabei sogar von Vorteil. Die Bedienung geht Dank der deutlich besseren Ergonomie selbst Umsteigern sehr schnell in Fleisch und Blut über. Der Sucher ist eine Wucht und erlaubt selbst unter schwierigsten Lichtbedingungen fehlerfreies Arbeiten. Der neue Autofokus folgt sich bewegenden Bilddetails im Modus AF-C in Kombination mit dem Modi „Breit“ oder „verriegelt Breit“ sehr akkurat und schnell fast über die gesamte Bildfläche und ignoriert dabei sogar störende Elemente, die plötzlich ins Bild laufen. Die Treffsicherheit ist, hat man die richtige Kombination von Einstellungen gefunden, sehr gut.

Diese Foto wurde bei eher spärlicher Beleuchtung bei ISO 800 und 1/60 Sekunde mit einem 85er aufgenommen.
Überzeugen kann auch der Bildstabilisator, der entweder alleine oder gemeinsam mit eventuell im Objektiv verbauten Imagestabilizer einen exzellenten Job macht. Dennoch ist eine möglichst ruhige Hand von Nöten, denn die enorm hohe Auflösung von 42 Megapixel stellen ganz besonders hohe Ansprüche. Und damit kommen wir zur Bildqualität: Hier setzt die α7RII nicht nur im Bereich Systemkameras neue Maßstäbe. Obwohl der ausführliche Labortest noch aussteht, liefert die getestete Kamera, erstklassige Objektive vorausgesetzt, ungemein scharfe Fotos bei extrem hoher Auflösung, und das mit einer Plastizität, die fasziniert. Auch bei hohen ISOZahlen – getestet haben wir Empfindlichkeits- Werte bis 6.400 ISO – was es aber im Labor noch im Detail noch zu untersuchen gilt, wirken die ersten Bildergebnisse faszinierend rauscharm.
Fazit
Mit der neuen α7RII mischt Sony das oberste Profi-Segment neu auf. Das Gesamtpaket bestehend aus überragender Auflösung und exzellente Bildqualität plus schnellem, treffsicheren Autofokus, in Kombination mit der Möglichkeit, dank des Bildstabilisators knackscharfe Fotos auch aus der Hand zu fotografieren, zusammen mit den kompakten Abmessungen und nicht zu vergessen dem exzellente Sucher, lassen die α7RII ohne Konkurrenz dastehen.
Sony Alpha 7R II
Hersteller Sony Corporation
Vertrieb Sony Europe Limited, Zweigniederlassung Deutschland, Kemperplatz 1, 10785 Berlin, www.sony.de
Preis [UVP] Gehäuse 3.500 Euro
Technische Daten/Ausstattung
Gehäuse Magnesium
Spritzwasser- und Staubschutz P
Objektivbajonett/Objektiv fest eingebaut Sony E-Mount
Sensortyp Exmor CMOS Kleinbildformat 36,0 x 24,0 mm, Bionz X-Bildprozessor
Sensorauflösung/Bildgröße 42 Megapixel/ 24-36 mm, Kleinbildformat
Bildformate RAW/JPEG 14 Bit Farbtiefe
Bildstabilisator P
Sensorreinigung Ultraschallfilter
Sucher elektronischer OLED-Sucher 2.359.296 Bildpunkte, 0,78-fache Vergrößerung, Pupillenabstand 27 mm
Dioptrienanpassung -4,0 bis +3,0 dpt
Programm-/Zeit-/Blendenautomatik P/P/P
Kreativprogramme/Motivprogramme 13/9
Belichtungsmessung Mehrfeld/Integral/Spot P/P/P (EV -1 bis EV 20)
Belichtungskorrektur/ Belichtungsreihen P/P, +-5 LW
Weißabgleich: Auto/manuell/Presets/Reihen P/P/P/P
ISO-Empfindlichkeit ISO 50-102.400
Verschlusszeiten/Blitzsynchronisation 30-1/8.000s/1/250s
Aufnahmebetriebsarten S, CL, CH
Selbstauslöser P (2s/10s) Pause einstellbar
Intervalltimer P
Fokussiersystem TTL-Hybrid-AF
AF-Messfelder/Arbeitsbereich 399 Phasen AF-Punkte, LW -3 bis 18
Fokusmodi Single-AF, kontinuierlicher AF, Manuel Focus, Direct Manual Focus (DMF)
AF-Hilfslicht P
Gesichterkennung P
Maximale Bildsequenz High: 5 Bilder/s, Low: 2.5 Bilder/s
Max Anzahl Bilder bis Speicher voll 30 im RAW-Modus, 50 im JPG-Fine-Modus
eingebauter Blitz –
Blitzmodi 2. Verschlussvorhang, Rote Augen, FP
Externe Blitz steuerbar Master-/Slave-Modus P/P
Touchscreen –
Livebild/mit Autofokus P/P
Wasserwaage P
Bildschirm/Auflösung/klappbar/schwenkbar 3-Zoll/1 228 800 Bildpunkte/•/-
Schnittstellen USB, HDMI,Fernauslöser, Auto-lock Accessory Shoe
Speicherkarten SD Card | SDHC | SDXC
WiFi/NFC P/P
Videoformat 4K-Aufnahmen, Super 35-Format (100 Mbit/s), AVCHD: MPEG-4 AVC/H. 264, MP4: Mit MPEG-4 AVC/H. 264
Tonaufnahme PCM / Dolby Digital AC-3
Abmessungen (BxHxT) 127 x 96 x 60 mm
Gewicht 630 g (Inklusive Akku und Speicherkarte)
Besonderheiten
Elektronischer Verschluss, Multi Interface-Zubehörschuh, Dynamikoptimierung, Eye-Start-Autofokus; Zebra; Fokus-Peaking und Vergrößerung
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