Chris Tettke erzählt in seinem Reisebericht von Überraschungen, ein paar kleineren Enttäuschungen und von viel Freude mit den Farben Islands.
von Chris Tettke
© Fotos Chris Tettke
Erste Fahrt, Januar 2018
2. Juni 2017, ein Geburtstag, kein besonderer. Es gibt ein fünfteiliges Geschenk von meiner Frau Steffi: eine Tütensuppe, eine Flasche Rum, Eiskonfekt, dann einen Reiseführer von Island und schließlich zwei Flugtickets für den Januar 2018. Ein Traum geht in Erfüllung, endlich fliegen wir nach Island. Es sollte der Auftakt zu drei spannenden Reisen auf die Insel werden, die uns in insgesamt 20 Tagen innerhalb von zwei Jahren alle Wetter- und Lichtverhältnisse und ein phänomenales Winterfarbenspektrum präsentierte.
Bei unserer ersten Fahrt im Januar 2018, die fünf Tage dauerte, zeigte sich Island von der heiteren Seite. Es gab wenig Schnee. Die Halbinsel Reykjanes im Südosten mit ihrem geothermischen Gestein, vermischt mit schauderhaftem Schwefelgestank und sich im Morgenlicht an der Küste grün-brechenden Wellen, verhalf uns sehr schnell zu unserem fotografischen Themengebiet „Die Winterfarben Islands“.

Kristallines Farbenspektakel am Geothermalgebiet Gunnuhver im Südosten Islands. Fujifilm X-T2, 18-55 mm, f/9, 1/70s, ISO 400.
Vom Ausgangspunkt, einer netten kleinen Ferienwohnung, machten wir zunächst die obligatorische Tour des Golden Circle, immer ein wenig die Hauptstraße verlassend, um auch dort auf Farbensuche zu gehen. Grandios waren die grün-blau gefrorenen Wasserfälle des Gullfoss, die wir gerade noch kurz vor Sonnenuntergang erreichten.
Am nächsten Tag vor der Abfahrt gab es zuerst einmal eine hektische Suche nach meiner Geldbörse – die Unterkunft schien sie zu verstecken. Dann luden wir die Fotoausrüstungen in das Auto und siehe da: Sie lag festgefroren auf dem Autodach, die Geldscheine lugten ein wenig hervor. Am darauf folgenden Tag besuchten wir Reykjavík mit seinen bunten Häusern, der neuen Oper, erstanden das obligatorische Hard-Rock-Café-T-Shirt, wollten uns aber wieder auf die Suche nach den Farben der Natur begeben. Deshalb fuhren wir auf Rat unseres Vermieters („Fahrt nicht in den Süden, da ist heute ein Schneesturm“) in den Norden auf die Halbinsel Snæfellsnes. Die Dämmerung malte den Himmel in „Hello-Kitty-Farben“ von rosa bis lila, minütlich wechselnd, sodass alle paar Kilometer ein Fotostopp eingelegt werden musste. Bis schließlich die Sonne soweit über dem Horizont stand, dass der Himmel blau und der Schnee weiß wurde, wie man es sich so vorstellt. Die Tage sind viel zu kurz. Ab 16 Uhr beginnt die Dämmerung, deshalb reichte die Fahrt nicht bis zum äußersten Ende des Naturschutzgebietes, denn wir wollten unbedingt noch den tausendfach fotografierten Berg am Kirkjufell sehen, allerdings von der Seite, die sich im letzten Abendlicht im gefrorenen See spiegelt.
Auf der Rückfahrt begegnete uns ein weiteres Farbphänomen: die Friedhöfe. Schon von weitem erkennt man die bunt angestrahlten Kreuze auf den Gräbern, ein Gewirr aus Kabeln und Stromkästen versorgt jedes einzelne Grab. Das kannten wir aus keinem anderen Land, obwohl wir dem seltenen Bereich der Friedhofsfotografie in fast allen europäischen Ländern auf der Spur sind. Auch die in der Neujahrszeit mit farbigen Girlanden verhangenen Fenster und Gebäude, die Vorgärten mit Rudolph, dem roten Rentier, und dem Nikolaus mit dem bunten Schlitten sowie sämtliches farbiges Getier setzen abseits der Natur ihr buntes Denkmal. Der letzte Tag bescherte uns verhangene Berge, Nebel, Regen, das erhoffte Polarlicht blieb uns leider verborgen.
Zweite Fahrt, Dezember 2018 / Januar 2019
Die zweite Fahrt nach Island zum Jahreswechsel 2018 / 2019, bei der uns ein Freund begleitete, sollte unsere Regenjacken einer harten Prüfung unterziehen. Landung im Regen, Übernachtung zunächst im gleichen Quartier wie bei der vorherigen Reise. Zum Glück verwandelte sich der Regen in der Nacht in leichtes Schneegestöber. Auf der zweiten Fahrt zum Gullfoss sahen wir Berge mit Puderzucker und dampfende, schneebedeckte kleine Tümpel neben dem Geysir Stokkur, um den sich natürlich die Touristen scharten, vor allem handybewaffnete Fotografen aus fernöstlichen Landen. Erneut beeindruckend, wenn auch in ganz anderem Licht, war der Gullfoss, der sich in diesem Jahr nicht so ganz eingefroren wie im letzten Jahr zeigte.
Silvesternacht in Reykjavík. In Erwartung des großen Feuerwerks machten wir eine Fahrt zum Perlan Museum, um vom Hügel aus dem Spektakel zuzusehen. Auf die Idee waren anscheinend auch Tausend andere gekommen, vor allem natürlich Einheimische, sodass kaum Platz für das Stativ war. Außerdem vernebelte das Feuerwerk die Sicht auf die Stadt dermaßen, dass von dieser kaum mehr etwas zu sehen war. Willkommen 2019 …
Die Fahrt von Grindavík nach Höfn im Südosten wurde begleitet von ständigem Regen. Selbst in Vík sahen wir die berühmten Felsnadeln erst bei der Weiterfahrt – im Rückspiel in diesigem Licht –, was uns natürlich zu einer kurzen Rückfahrt zwang. Der einzige Lichtblick im Regen und Nebel des Lavastrandes war ein gelber Ostfriesennerz einer Besucherin aus dem Ruhrpott. Man sollte denken, dass man die blauen Eisbrocken der Gletscherlagune am Jökulsárlón nicht übersehen kann, doch man kann! Eine recht neue Unterkunft kurz vor Vík entschädigte uns für die anstrengende Fahrt. Tagesausklang: Kniffeln.

Zwischen zwei Schneesturmtagen – ein Traumtag mit Morgendämmerung in bonbonrosa zwischen Godafoss und Mývatn. Fujifilm X-T2, 100-400 mm, f/4.6, 1/240 s, ISO 400.
Der Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen motivierte nicht zum Aufstehen, aber die Hoffnung auf einige Lichtlöcher am Jökulsárlón ließ uns doch losfahren. Die Hoffnung erfüllte sich leider nicht. Nieselregen und der Anblick von in Regenjacken verhüllten Besuchern machte nicht viel Spaß, aber die gedämpften Blauvariationen der Eisbrocken kamen unserer Suche nach den Farben der Insel sehr entgegen. Dieselbe Situation am darauffolgenden Tag veranlasste uns sogar, die gebuchte Gletschertour rechtzeitig zu stornieren. Diese versprach eine vierstündige Wanderung über den Gletscher Vatnajökull mit dem Besuch einer Eishöhle, die allerdings wegen Wasserflutung nicht mehr besucht werden konnte. Den Abend verbrachten wir zur Belohnung in gemütlicher Atmosphäre in Höfn in einem kleinen Holzgasthaus bei Hummersuppe und Lobster-Pasta. Aber wir hatten nicht umsonst die beste Internetfinderin im Team, die noch am Abend eine Alternativtour für den nun achten Tag ausfindig machte und buchte.
Die Ankunft verlief wie üblich im Regen, „die Tour findet trotzdem statt“, so der Veranstalter, auch ohne Wanderung, nur die Fahrt und der Besuch zweier weiterer Höhlen. Und man soll es nicht glauben, oben auf dem Gletscher empfing uns die Sonne und bescherte unseren Augen und Speicherkarten ein unglaubliches Spektrum an Grün-, Schwarz-Weiß- und Blauvariationen bis zum Sonnenuntergang. In Höfn aßen wir die leckerste Lobstersuppe ever … und der Himmel belohnte uns am späten Abend sogar unerwartet mit einem Polarlicht, 20 Kilometer nordöstlich von unserer Unterkunft am Eystrahorn.
Es folgten ein zumindest regenfreier Tag mit einem erneuten Stopp am Diamondbeach. Am Abend begleitetete uns der Regen an unserem letzten Tag auf der langen Fahrt zurück zu unserem Ausgangsquartier in Grindavík.
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