Drei Monate auf einem Kreuzfahrt-schiff – klingt erstmal nach Urlaub, für Benjamin Wohlert war es aber vor allem jede Menge Arbeit. Denn der 28-Jährige trat Anfang des Jahres einen Job als Bordfotograf an und machte viele wertvolle Erfahrungen, während er zwischen den Kanarischen Inseln, den Kapverden und den Azoren hin und her schipperte.

von Benjamin Lemm

© Fotos Benjamin Wohlert

Eigentlich ist Benjamin Wohlert kein so großer Fan von Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff. Im Gegenteil: Bevor er die Stelle als Bordfotograf antrat, hatte er einen solchen Koloss noch nie betreten – und auch nie die Absicht gehabt, dies jemals zu tun. Er bevorzugt es, einen Ort intensiver kennenzulernen und länger zu verweilen, anstatt jeden Tag auf einer anderen Insel zu verbringen.

Trotzdem gehören die drei Monate, die er Anfang 2022 auf einem solchen schwimmenden Hotel verbrachte, zu den besten Erfahrungen seines Lebens, wie er selbst sagt. Denn auf seiner Reise hat er nicht nur Geld verdient, sondern sich vor allem als Fotograf und Persönlichkeit weiterentwickelt und viel über sich und andere Menschen gelernt. Dazu später mehr.

Sprung aus der Komfortzone

Auf die Idee mit dem Kreuzfahrtschiff kam Benjamin, als eine Kundin ihm bei einem Porträt-Shooting von ihrer Arbeit als Kinderbetreuerin auf einem solchen schwimmenden Hotel erzählte. „Die brauchen doch bestimmt auch Fotografen“, dachte er sich und bewarb sich kurzerhand bei einem bekannten Tourismusunternehmen – mit Erfolg.

Doch bevor es losging, musste er zunächst noch die Aufnahmeprüfung bestehen. Hierfür musste er fremde Leute in der Stadt ansprechen, ein Foto von ihnen machen und daraus eine Collage erstellen. Dabei ging es weniger um die Fotos an sich, als darum, zu zeigen, dass er keine Hemmungen im Umgang mit fremden Menschen hat. Denn genau das gehört mit zu den größten Herausforderungen des Jobs eines Bordfotografen.

Anfang Januar 2022 schließlich war es soweit: Benjamin trat seine dreimonatige Reise an und lebte von nun an auf einem großen Kreuzfahrtschiff, das knapp 300 Meter lang und für circa 2.500 Passagiere ausgelegt ist. Corona-bedingt war die Auslastung Anfang des Jahres geringer als üblich. Es waren also lange nicht so viele Gäste an Bord, wie das Schiff fassen könnte. Dementsprechend reduziert war aber auch das Personal, was bedeutete, dass Benjamin zusammen mit dem Fotomanager über lange Phasen der einzige Fotograf auf dem ganzen Schiff war. Normalerweise sind bei einer solchen Kreuzfahrt sieben oder acht Fotografen an Bord. Für sämtliche Crew-Mitglieder galt außerdem rund um die Uhr FFP-2-Maskenpflicht.

In den ersten Tagen musste Benjamin nicht nur alles kennenlernen und sich auf dem Schiff einleben, sondern auch einige Sicherheitstrainings absolvieren, die für jedes Crewmitglied verpflichtend sind.

Fotografieren im Akkord

Ein typischer Arbeitstag als Bordfotograf auf dem Kreuzfahrtschiff begann für Benjamin um 8:30 Uhr. Oft verbrachte er die ersten Stunden vor allem damit, im Hafen vor dem Schiff zu stehen und Gäste zu einem Foto vor dem „Pott“ zu bewegen. Die Erfolgsquote hing hier vor allem vom jeweiligen Wetter ab. Anschließend ging es ins Büro, wo er die Aufnahmen bearbeitete, Collagen gestaltete und ins System einspeiste, damit sie den Gästen direkt zur Verfügung standen und gekauft werden konnten.

Nachmittags dann baute er seine Shooting-Station auf dem Schiff auf und versuchte auch hier, möglichst viele Gäste zu einem Foto zu bewegen – typischerweise ausgestattet mit einem Accessoire wie zum Beispiel einem Rettungsring vor einer Fotowand stehend, die das Kreuzfahrtschiff im Hintergrund zeigt. Besonders beliebt waren allerdings Iris-Shootings, bei denen das Auge des Gastes fotografiert und freigestellt wird. Auch diese Aufnahmen erforderten im Nachgang eine Bearbeitungsphase im Büro. Abends dann zog er mit seiner Kamera durch die Bars des Schiffes, um weitere Fotos von den Gästen zu machen. Das Ziel: So viele Fotos wie möglich an die Gäste zu verkaufen, denn das ergab am Ende der Woche eine zusätzliche Provision, die unter den Bordfotografen aufgeteilt wurde.

Doch Benjamin fotografierte nicht nur, sondern gab hin und wieder auch Fotografie-Workshops – eine Aufgabe, die auf den ersten Blick nicht unbedingt zu seinem introvertieren Naturell passt: „Das war schon eine krasse Situation am Anfang: Ich kannte das Präsentationsmaterial noch gar nicht und sollte trotzdem damit aus dem Stehgreif einen Fotografie-Workshop halten. Da wird man schon etwas ins kalte Wasser geworfen. Das ist im ersten Moment vielleicht unangenehm, aber an solchen Situationen wächst man ungemein“, blickt er schmunzelnd zurück.

Benjamin Wohlert

Benjamin Wohlert (28) aus Lünen hat eigentlich Maschinenbau studiert – in der Fotografie jedoch fand er seine wahre Leidenschaft, die er inzwischen zu seinem Beruf gemacht hat. Spezialisiert ist er vor allem auf Porträt- und Hochzeitsfotografie.
Instagram und
Youtube: wohlertfotografie
www.wohlertfotografie.de

Kommunikation als Schlüsselkompetenz

In der Porträtfotografie ist die richtige Kommunikation mit den Models ausschlaggebend für wirklich gute Fotos. Denn der Fotograf muss in der Lage sein, den Fotografierten zu vermitteln, wie sie sich bewegen sollen. Gleichzeitig sollte er ihnen ein gutes Gefühl geben. Für Benjamin bedeutete dies am Anfang seiner Karriere als Fotograf vor allem, dass er seine Komfortzone verlassen und seine Kommunikationsfähigkeit auf ein neues Level heben musste. „Ich bin eigentlich ein recht introvertierter Mensch und habe gerne meine Ruhe. Durch die Fotografie habe ich aber gelernt, aus mir herauszugehen und kann nun sehr viel besser mit Leuten kommunizieren als früher“, beschreibt er seine Erfahrung. Die Personenfotografie sei für ihn ein Katalysator für die persönliche Entwicklung gewesen und habe ihm viele Ängste im Umgang mit Menschen genommen. Die Tätigkeit auf dem Kreuzfahrtschiff war dahingehend eine besondere Herausforderung. Denn hier war Benjamin den ganzen Tag von fremden Menschen umringt, musste aktiv auf sie zugehen und sie dazu bringen, sich fotografieren zu lassen. Keine einfache Aufgabe, zumal oft nur sehr wenig Zeit für die Fotos blieb. Gerade wenn die Gäste auf dem Weg von einem Ort zum anderen sind und es eilig haben, hat niemand die Muße für ein ausgedehntes Shooting.

Neben der Herausforderung, sich immer wieder auf neue Menschen einzustellen, musste Benjamin lernen, innerhalb von Sekunden ein angenehmes Verhältnis zu den Personen vor der Kamera aufzubauen. Das kann schon mal sehr anstrengend sein. Diese Herausforderungen haben Benjamin in seinem Können als Porträtfotograf aber noch einmal auf ein anderes Level gehoben. „Ich glaube, dass die Kommunikation den Unterschied zwischen einem guten Porträtfotografen und einem Profi ausmacht. Das ist keine Frage der Technik oder des Bildausschnitts – es geht darum, die Menschen richtig anzupacken und einen Raum zu schaffen, in dem sie sich fallen lassen können. Wenn man das raushat, ändern sich Blicke und es können wirklich tolle Fotos entstehen“, erklärt er.

Immer unterwegs

Wenn die Gäste von Bord gingen, um eine der angefahrenen Inseln zu erkunden, war Benjamin ebenfalls mit von der Partie und begleitete den Ausflug fotografisch. Dabei fotografierte er neben den Menschen auch die Landschaft und verschiedene Sehenswürdigkeiten, die er später auch für seine Collagen verwenden konnte. „Das Leben als Bordfotograf ist schon recht anstrengend. Deshalb machen das vornehmlich auch eher jüngere Leute. Man muss viele Stunden arbeiten und viel kommunizieren. Aber ich will mich nicht beschweren: Andere Mitarbeiter des Schiffes müssen noch sehr viel härter und vor allem länger arbeiten“, beschreibt er.

Aber selbst, wenn er mal einen Vormittag frei hatte, nutzte Benjamin diesen meist für weitere Fotoshootings. So lichtete er hin und wieder auch Mitglieder der Crew ab, teils auf dem Schiff, am liebsten aber beim Shooting am Strand. Ab und an fanden sogar Hochzeiten auf dem Schiff statt. Diese sind Benjamin ganz besonders im Gedächtnis geblieben, weil hierbei eine außergewöhnliche Atmosphäre herrschte.

Fotografieren im Flow

Wie bekomme ich wirklich gutes Licht in meine Fotos? Wie erschaffe ich eine angenehme Atmosphäre beim Shooting? Wie kommuniziere ich richtig? Wie komme ich in den Foto-Flow? Diese und weitere Fragen beantwortet Benjamin Wohlert in seinem Buch zur Porträtfotografie und legt dabei den Fokus vor allem auf den kreativen Aspekt und den Menschen an sich.

Von Benjamin Wohlert

ab 9,99 Euro
148 Seiten, Wahlweise als E-Book, Taschenbuch oder gebunden

Zurück zum Alltag

Vor allem die ersten Wochen auf Kreuzfahrt waren für Benjamin ein Abenteuer. Doch nach einiger Zeit stellte sich die Routine ein, vor allem, weil es ihn im Wochenrhythmus immer wieder in die gleichen Ecken verschlug. „Wenn du zum achten Mal auf derselben Insel ankommst und immer wieder dieselben Routen abklapperst, ist das natürlich nicht mehr so spannend. Trotzdem kann ich diese Erfahrung jedem jungen Fotografen empfehlen. Diese drei Monate waren sehr intensiv und ich habe unfassbar viel davon mitnehmen können. Ich kann mir sogar vorstellen, etwas Ähnliches nochmal zu machen – allerdings in eine andere Richtung. Eine ausgedehnte Expedition in die Arktis zum Beispiel wäre cool“, überlegt er.

In den nächsten Monaten heißt es für Benjamin aber erst einmal wieder: business as usual. Dabei liegt der Fokus weiterhin auf normalen Porträt-Shootings und Hochzeiten. Nebenbei wird er seine Social-Media-Kanäle und Youtube aber noch lange mit Foto- und Videomaterial von den Kreuzfahrten füttern können – denn davon hat er immer noch jede Menge.