Das Spiel mit dem Licht
Ein Problem, mit dem viele Fotografen früher oder später konfrontiert werden, ist der Umgang mit künstlichem Licht. Blitze und LED-Dauerlichter sollen schließlich nicht nur dazu da sein, ein Bild aufzuhellen. Den kreativen Spielplatz für das Licht findet unser Autor unter unseren Füßen und entdeckt in Höhlen den Spaß daran, auch mal „falsch“ zu fotografieren.
von Paul Schulz © Fotos von Paul Schulz, SAH Breitscheid
Die unwirkliche Höhlenwelt unter der Erde wird immer häufiger auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Etwa 50 Schauhöhlen gibt es inzwischen deutschlandweit. Und Hunderte Kleinhöhlen befinden sich rund um Wanderwege, besonders in Mittelgebirgen. Die absolute Dunkelheit in diesen Höhlen bedeutete, zumindest für mich, erstmal dass gute Fotos hier nicht so einfach zu realisieren sind. Jedes Foto muss „gemalt“ werden: mit Taschenlampen, LED-Panels oder Blitzen. Beim ersten Versuch funktioniert das fast nie. Mal verrutscht der Fokus auf den falschen Stein, mal „ertrinkt“ das Bild fast in der unterirdischen Dunkelheit. Wie man trotz der Herausforderungen tolle Aufnahmen bekommt, habe ich bei zwei Fototouren herausgefunden.

Auch natürliches Licht kann zumindest kleinere Höhlen ausleuchten.
Faszination am Wegesrand
Auf einer zweitägigen Fotowandertour stehe ich Anfang dieses Jahres das erste Mal vor einem circa türgroßen Höhleneingang im Altmühltal. Dahinter befinden sich knappe 300 Meter verwinkeltes Höhlensystem. Bei der Vorbereitung zu Hause hatte ich meine Kopflampe und einen uralten Blitz ausgegraben – einen Funkauslöser dafür habe ich nicht. Ich gehe hinein und die Höhle verschlingt mich. Schon nach etwa 15 Metern dringt kein Sonnenlicht mehr in die Gänge. Kein Vogelzwitschern oder Gespräch der anderen Wanderer gelangt noch an mein Ohr. Langsam quetsche ich mich durch die enger werdenden Gänge. Meinen Fotorucksack trage ich in der Hand, mal vor meinem Körper, mal ziehe ich ihn hinter mir her. Der lehmige Dreck der Höhlenwände bleibt hartnäckig an allem, was ich bei mir trage, kleben.

Durch das Weitwinkelobjektiv sieht diese Kletteraktion abenteuerlich aus, dabei mussten nur 1,80 Meter überwunden werden.
Höhlenräume als Spielplatz
In einem größeren Raum finde ich dann das passende Motiv: Einen von anderen Wanderern errichteten Steinturm. Tropfsteine gibt es in dieser Höhle nicht mehr, sie wurden über die Jahre abgebrochen, obwohl diese sich außerhalb der unterirdischen Dunkelheit nach kurzer Zeit unschön bräunlich verfärben.
Zehn Minuten laufe ich im Lichtkegel meiner Kopflampe zwischen der auf einem Stativ platzierten Kamera und wechselnden Positionen hin und her. Wenn ich auf den Auslöser drücke, bleiben mir zehn Sekunden, um an der richtigen Stelle zu stehen und gleichzeitig mit der Kamera – manuell – meinen Blitz auszulösen. Ein Funkauslöser wäre hilfreich gewesen.
50 Bilder schieße ich am Ende in diesem Raum. Obwohl ich die Kamera dabei nur minimal um den kleinen Steinturm bewege, gleicht doch kein Bild dem anderen. Nur die Lichter, die ich benutze, bestimmen, was man auf dem Foto sieht. Welches die gelungenste Aufnahme ist, entscheidet noch vor Ort der Blick auf das Kameradisplay: In einem Winkel von etwa 20 Grad strahle ich am Weitwinkelobjektiv meiner Kamera vorbei, den Blitz habe ich gegen die Felswand hinter mir gerichtet – nur eine Silhouette bleibt übrig. Der Vordergrund wurde zusätzlich mit einer Taschenlampe „ausgemalt“
Durch den „Backflash“, also das Blitzen hinter einer Person, kommt Tiefe in das Bild. Übrig bleibt nur eine Silhouette. Der Vordergrund wurde zusätzlich mit einer Taschenlampe ausgeleuchtet.
Die Enge als Herausforderung
Die Gänge sind dagegen schwieriger einzufangen. Die Höhle ist verwinkelt und häufig kann man nur wenige Meter weit sehen, bevor die Gänge sich wieder in sich selbst verlieren. Als ich einen Gang entdecke, dem der Blick weiter als drei Meter folgen kann, packe ich meine Kamera wieder aus. Ich entscheide mich für eine einfachere Belichtung. Die Kopflampe leuchtet auf der geringsten Einstellung direkt in das Objektiv, der Vordergrund wird angeblitzt. Der Gang verschwindet somit im Dunkel, nur das Licht der Kopflampe dringt durch die Dunkelheit.
Licht als Raum-Gestalter
Die Dreidimensionalität einer Höhle lässt sich mit der Kamera kaum festhalten. Allein das Licht bestimmt, wie man den Raum wahrnimmt. Eine Vielzahl von Tropfsteingebilden kann auf dem Bild zu einer Figur verschmelzen oder der Lichtstern einer Kopflampe zu einem weit entfernten Mysterium werden.
Viele der Motive sind erst zu erkennen, wenn die mehrsekündige Belichtungszeit der Kamera vorbei ist. Das bloße Auge kann hier unten kaum das Resultat eines Fotos vorherbestimmen.
So arbeite ich mich Foto für Foto durch die Gänge. Probiere verschiedene Lichtkombinationen und Positionen aus und merke schnell: Eine „richtige“ Lösung für die Fotos scheint es nicht zu geben. Man muss viel ausprobieren, bevor die Bilder, die man im Kopf hat, gelingen.
Doch manchmal lassen sich auch altbewährte Kameratricks anwenden: Vor einer kurzen Kletterpassage, durch die man etwa 1,80 Meter in den höhergelegenen Höhlenteil steigt, bringe ich die Kamera so nah an den Boden wie möglich und richte sie fast 90 Grad aufwärts. Somit ist zum einen der langweilige Höhlenboden nicht sichtbar und zum anderen wirkt der Aufstieg um einiges höher und steiler. Manchmal kann Abenteuer auch einfach sein.
Fotografieren in Schauhöhlen
Ein paar Monate später treffe ich mich mit Julius Krause, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Speläologischen Arbeitsgemeinschaft Hessen (SAH), in Breitscheid im Westerwald. Erst 1993 wurde das Höhlensystem hier entdeckt. Bis heute wurden etwa 13 Kilometer der Höhlengänge erkundet. Ständig entdecken die Forschenden Neuland. Nicht umsonst nennen viele der Höhlenforscher ihre Arbeit „die Raumfahrt des kleinen Mannes“.
Zusammen steigen Krause und ich die 124 Stufen zu der im Jahr 2009 eröffneten Schauhöhle „Herbstlabyrinth“ herab. Die für Besucher ausgebaute Knöpfchenhalle gehört zu den modernsten Schauhöhlen weltweit.
Zusammenspiel von Alter und Moderne
Als wir die unterste Etage erreichen und Krause die Tür öffnet, ist alles dunkel. Erst nach und nach schaltet er, per Fernbedienung, die LED-Panels ein, die unsichtbar in der Höhle verbaut sind. Dutzende LEDs strahlen die markantesten und schönsten Tropfsteine an. Und erst jetzt wird das Ausmaß des Raumes erkennbar. Er ist bis zu 32 Meter hoch und etwas über 80 Meter lang. Ein Steg führt über verschiedene Treppen und Abzweige in die Teilbereiche der Halle.
Asche, die wenige Zentimeter hinter dem Geländer liegt, überdauert die Zeit schon seit über 10.000 Jahren. Es sind die Überreste des Vulkanausbruches am Laacher See in der Eifel – ein unberührter Zeitzeuge. Neben der Asche thront mehrere tausend Jahre alter „Sinterschmuck“: Tropfsteine. Hier treffen zwei Welten aufeinander: moderne Lichttechnik und jahrtausendealte Geologie.
Nur wenige Momente später schaltet Krause alle Lichter bis auf eines aus. Etwa fünf Meter unter mir sehe ich ein Loch, scheinbar mit Geröll gefüllt. „Hier steigen die Forscher runter“, sagt Krause. Runter, das heißt in die inzwischen 13.009 Meter Höhlengänge, die bereits entdeckt wurden. Die Schauhöhle hat knapp 80 Meter von ihnen für fast jeden begehbar gemacht.
„Dieser Teil der Höhle wurde ausgewählt, da hier so ziemlich jede Art von Versinterung zu finden ist, die auch im Rest der Höhle vorkommt“, sagt Krause. Fast der gesamte Raum strahlt im Licht der LEDs weiß, die Tropfsteine reflektieren funkelnd das Licht.
Hier ist das Fotografieren durch die Bestrahlung der LED-Lichter relativ einfach. Während ich in der anderen Höhle damit beschäftigt war, verschiedene Lichtquellen zu testen, kann ich mich hier den umwerfenden Tropfsteingebilden widmen. Verständlich, dass immer wieder auch Foto-Workshops durch diesen Höhlenteil führen. Die verschiedenen Formen haben dabei auch immer verschiedene Entstehungsgeschichten und die jahrtausendealte Geschichte der Höhle wird durch die Tropfsteinbildungen belegt. Bereits während ich fotografiere, merke ich, dass bei der Ausleuchtung der Halle nicht nur Forscher, sondern auch begeisterte Fotografen am Werk waren. Die LEDs sind auf fast keinem meiner Bilder zu sehen und die Tropfsteine scheinen wie von selbst zu erstrahlen. Und es ist so hell, dass auch das Schließen der Blende für eine höhere Schärfentiefe kein Problem darstellt.

Wie ein ascheregnender Vulkan wirkt dieser Stalagmit. Passend, denn an seiner Basis findet sich etwa 12.900 Jahre alter Vulkanbims.
Aufwendige Lichtsetzung
Krause zeigt mir die Aufnahmen aus den Höhlen, welche die Speläologen von ihren Touren mit an die Oberfläche bringen – akribisch geplante Meisterwerke. Die Höhlenräume sind teilweise so groß, dass mehr als ein Dutzend Lampen gebraucht werden, um sie für ein Foto auszuleuchten.
„Einige der Kollegen verstecken sich zum Beispiel hinter Felsen, um bestimmte Punkte anzustrahlen“, berichtet Krause. Für den „Backflash“-Effekt, der Menschen zu Silhouetten reduziert, werden die Forscher von den Kopflampen anderer Kollegen angestrahlt oder halten eine zweite Kopflampe hinter sich. Der Hintergrund versinkt dann häufig in eine dunkle Ungewissheit, die das wahre Ausmaß der Höhlen nur erahnen lässt.
Auch LED-Panels, wie LED-Videoleuchten, Blitze oder die kaum noch bekannten Blitzbirnen, die nur einmal verwendet werden können, sind im Einsatz, wenn die Höhlen ausgeleuchtet werden sollen. Selbst bei den Profis gehört das Ausprobieren und Experimentieren dazu. Krause erlebte schon „Fotoshootings“, bei denen stundenlang an der perfekten Lichtsetzung gefeilt wurde – für einziges Foto.
Fazit
In der Dunkelheit unter der Erde zu fotografieren ist eine Kunst. Zugleich eröffnen die Höhlen aber auch einzigartige Möglichkeiten, mit der Lichtsetzung zu experimentieren und zu spielen. So erhält man nicht nur spannende Aufnahmen, sondern gewinnt zudem Erfahrungen, die auch bei anderen Shootings hilfreich sein können.

Extremes Gegenlicht reduziert die Forschenden zu Silhouetten.
Wenn in Ihnen jetzt auch der Entdeckerdrang geweckt ist, neben Sie doch folgende Tipps mit auf Ihre Erkundungstour:
Tipp 1: Es werde Licht
Mindestens eine extra Taschenlampe sollten Sie sowieso mitbringen, damit Sie Licht haben, falls der Handy-Akku Sie im Stich lässt. Je mehr Licht Sie im Gepäck haben, desto mehr können Sie auch ausprobieren. Besonders bei günstigen Kopflampen sollten Sie allerdings beachten, dass diese oft unnatürlich-bläuliches Licht ausstrahlen. Die Bilder wirken somit schnell kalt. Verwenden Sie die Kopflampen außerdem auf der niedrigsten Stufe und schauen Sie an der Kamera vorbei, um unschöne Lensflares zu vermeiden. Den internen Blitz der Kamera sollten Sie nach Möglichkeit eingefahren lassen – das frontale Licht wirkt unnatürlich.
Tipp 2: Schießen Sie in RAW
Oft wirken die Bilder auf der Kamera perfekt belichtet. In der Dunkelheit einer Höhle lässt sich das tatsächliche Ergebnis aber noch schwerer einschätzen als ohnehin schon. Wenn Sie im RAW-Format fotografieren, können Sie später Details aus Ihren Fotos herausarbeiten. Auch fast schwarze Bildbereiche haben in diesem Format viele Details gespeichert. Aber nicht alle Bilder können durch das RAW-Format gerettet werden. Deswegen gilt: Belichten Sie möglichst gleich richtig. Dabei hilft ein Blick auf das Histogramm.
Tipp 3: Das richtige Objektiv
Planen Sie schon im Vorhinein, was Sie in der Höhle fotografieren möchten. Für dokumentarische Fotos lohnt sich ein Ultraweitwinkelobjektiv mit offener Blende, um möglichst viel von den Höhlenräumen zu erfassen. Makrofotografen dagegen wollen vielleicht detailreiche Aufnahmen der Tropfsteine und des anderen Sinterschmucks in den Höhlen machen. Somit können auch längere Brennweiten in Höhlen kreativ eingesetzt werden.
Tipp 4: Sicherheit geht vor
Auf den Höhlenbildern der Forschenden sieht man es deutlich: Viele Höhlen sind Profiarbeit. Vergewissern Sie sich, dass die Höhle, in die Sie gehen wollen, für die Öffentlichkeit zugänglich ist, nehmen Sie mehrere Lichtquellen mit und tragen Sie am besten auch einen Helm. Der Helm schützt Sie, wenn Sie versehentlich an eine scharfe Felskante stoßen – herabstürzende Felsen sind besonders in öffentlich zugänglichen Höhlen eher die Seltenheit. An Felskanten stößt man dagegen recht schnell.
Tipp 5: Scharfe Bilder
Für möglichst scharfe Bilder stellen Sie Ihre Kamera auf ein Stativ. So können Sie die Blende schließen, um möglichst viel Tiefenschärfe zu erreichen und gleichzeitig den ISO unten zu halten. Längere Belichtungszeiten werden erst zum Problem, wenn Sie Menschen fotografieren wollen – diese stehen ungern mehr als zwei Sekunden wirklich still. Fokussieren Sie manuell, indem Sie Ihr Subjekt mit der Taschenlampe direkt anstrahlen. Um kleine Verwacklungen beim Drücken des Auslösers zu vermeiden, nutzen Sie einen Fernauslöser. Oder stellen Sie den Zwei-Sekunden-Selbstauslöser der Kamera ein.
Tipp 6: Schauhöhlen
50 Standorte bieten allein in Deutschland geführte Touren durch teilweise aufwendig beleuchtete Höhlen. Ob man dabei fotografieren darf, ist von den Betreibern abhängig. Oft bieten diese allerdings Fotografie-Workshops in den Höhlen, bei denen man neben professionellen Kameratipps auch einen tiefen Einblick in die Naturgeschichte und Geologie der Höhlen bekommt. Deswegen bietet sich ein Besuch einer Schauhöhle besonders als Einstieg in die Höhlenfotografie an.
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