Beauties, Beasts and Boobs

Leuchtend pinker Lippenstift, ein lasziver Gesichtsausdruck, wehende Mähnen und ein allzu kleines Oberteil, dazu ein chicer Flitzer, daneben ein erhabener Indianer und eine wilder Hexe. Alles glänzt und glitzert. Natürlich – wir befinden uns in einer Fantasiewelt, einer bildgewordenen Fantasie: Auf dem Jahrmarkt.

 

von Jamari Lior
© Fotos Jamari Lior

Halsbrecherische Showgeschäfte, nostalgische Kettenkarussells, bunte Lämpchen – eine Kirmes hat unzählige Motive im Angebot. Im Dschungel der Gelegenheiten interessiert mich vor allem ein Thema: die Kirmeskunst. An Ständen und Attraktionen, an Wagen und Büdchen, überall findet man diese Bemalungen. Ein seltsames Genre, irgendwo zwischen Kitsch und Kunst, das aus einer anderen Zeit zu stammen scheint, als Bilder noch günstiger waren als großflächige Drucke. Aus einer anderen Zeit und aus einer anderen Welt, nämlich der Welt der Fantasie.

 

Genau für diese Welt sind Kirmesmalereien der perfekte Spiegel – sie zeigen, wovon der Mensch träumt.

  • Sex: Verführerische Blicke, superknappe Outfits, laszive Posen – der offensichtlichste Traum in der Kirmesmalerei hat die Erotik zum Thema. Wie so oft liegt der Fokus klar auf dem weiblichen Geschlecht. Erstaunlicherweise kommt Erotik aber gerne gepaart mit dem Fremden oder Bösen einher: Man sieht sexy Hexen samt Zauberkürbissen und Besen, sowie blutrünstige Vampirmädchen mit weiß-grauer Haut, wallender, schwarzer Mähne und gefährlich spitzen Zähnen
  • Das Böse: Das Böse und Gruselige fasziniert uns, vielleicht, weil das Gute ohne das Schlechte wertlos wäre, vielleicht, weil wir das Böse gewissermaßen mit Freiheit in Verbindung bringen, der Freiheit, sich gegen die Moral, gegen die Regeln zu entscheiden und ein selbstbestimmtes, oft primär hedonistisches Leben zu führen. Die sexy Hexe im Latexanzug – der Maler hatte offenbar eine Domina vor Augen – spuckt selbstbewusst Feuer aus ihrem roten Schmollmund.

 

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