Tanz hat im südasiatischen Kontext eine ganz besondere Bedeutung – ebenso wie Farbe. Harrashad Kaamble bringt beides in einer imposanten, international ausgestellten Fotostrecke zusammen.
von Jamari Lior
© Fotos: Harrashad Kaamble
Harrashad Kaamble, der als Fotograf und Dozent an der Ajeenkya DY Patil Universität in Indien arbeitet, hatte diese Fotos schon lange im Kopf. Zwei wichtige Zutaten kommen hier zusammen: Tanz und Farbe. Damit begegnen uns zwei Ausdrucksmittel, die kulturelle Universalien darstellen und gerade auch in Südasien überaus präsent sind.
Farbe
Nicht umsonst gilt Südasien als farbenprächtig. Tatsächlich sind Farben im Alltag allgegenwärtig: Kleidungsstücke für Frauen werden zum Beispiel in leuchtendem Rot, Pink oder Grün angeboten, Häuser werden in knalligen Farben gestrichen und intensiv-orangfarbene Blumengirlanden zieren Götterstatuen.

Farbe und Bewegung sind die Konzepte, mit denen sich Harrashad Kaamble in dieser Serie auseinandergesetzt hat.
Auch für die Auffassung von Kunst spielt Farben eine zentrale Rolle. Die Kunsttheorie, die sich um den Begriff „Rasa“ entfaltet, assoziiert verschiedene Farben mit bestimmten emotionalen Zuständen. Es gibt sogar ein Fest, das sich den Farben widmet und das mittlerweile sogar in Deutschland bekannt geworden ist: Holi, das Fest, bei dem man sich gegenseitig mit Farbpulvern bewirft.
Tanz
Auch Tanz hat im südasiatischen Kontext eine große Bedeutung. Der Legende zufolge haben die Götter den Tanz erfunden. Als ganzheitliche Kunst, die Melodie, Drama, Linie und Form beinhaltet, gilt Tanz als eine der angesehensten Kunstformen. Sogar einer der klassischen indischen Texte, die Natyasastra, die manchmal die „fünfte Vede“ als heilige Lehre genannt wird, beschäftigt sich mit dem elaborierten Code des Tanzes.

Tanzbewegungen unterschiedlicher Stile wurden für die Serie ausgewählt.
Klassischer südasiatischer Tanz, beispielsweise Bharata Natyam, Mohiniyattam, Odissi oder Kathakali, kommuniziert Geschichten meist über festgelegte Mimiken, Posings und Kostüme. In einigen Tanzstilen kennt man sogar ganz konkrete Gesten, die in Worte übersetzt werden können. Es ergibt sich also eine Art elegante Zeichensprache zu Musik. Einige Tänze besitzen ein Repertoire aus über 600 verschiedenen Gesten und es dauert viele Jahre, bis man solche Stile beherrscht. Manche Tänzer besitzen eine so ausgeprägte Körperdisziplin, dass sie willentlich ihre Hautfarbe ändern können, indem sie Blut in die Kapillaren ihres Gesichts pumpen.

In einem Rohbau bereiten Harrashad und sein Team das Shooting vor.
In den Tänzen erkennt man häufig Anlehnungen an die religiöse Überlieferung, die beiden berühmten Epen Ramayana und Mahabharata bieten beispielsweise einen reichen Fundus „tanzbarer“ Geschichten. Durch Gesten und Posen statt mit Worten zu kommunizieren erweist sich als ausgefeilte Methode, denn in Südasien gibt es unzählige lokale Sprachen, sodass es für fahrende Tanztruppen essenziell war, eine übergreifende Sprache zu entwickeln. Außerdem mögen die Bewegungen auch als Mnemotechniken gedient haben, bevor es möglich war, Geschichten aufzuschreiben.

Für seine Shootings erstellt Harrashad meistens genaue Lichtskizzen. Auf die Weise kann er das Set später replizieren.
Farbe trifft auf Tanz
Farbe und Tanz, diese beiden Konzepte bringt Harrashad in seiner Bilderstrecke zusammen. Um die Idee zu verwirklichen, brauchte es zunächst einen strapazierfähigen Raum als Location. Gefunden hat Harrashad ihn in einem Rohbau eines Bekannten: Hier installierte Harrashad den Hintergrund und ließ seine Assistenten die Farbe werfen.

Bei diesem Motiv erzeugt der Bildaufbau besondere Spannung.
Als Modelle wählte er Tänzer verschiedener Richtungen aus, um die universale Botschaft – Tanz und Farbe als Art der Kommunikation und als Möglichkeiten, Gefühle zu teilen – bestmöglich vermitteln zu können. Außerdem brauchte es noch mehrere wurfgeübte Assistenten, um die fliegenden Farbpartikel optimal in den Kasten zu kriegen – allzu viele Versuche hat man dabei nämlich nicht, ansonsten sind die verschiedenen Farbpigmente zu einem bräunlichen Einerlei verschmolzen.

Spannung erhält dieses Foto durch den Blau-Gelb-Kontrast.
Bei Harrashads fotografischen Arbeiten spielt auch stets das Licht eine wichtige Rolle. Während die meisten Fotografen wohl erst einmal eine Kamera kaufen würden, ist es bei ihm andersherum: Für ihn stand der Erwerb einer professionellen Blitzanlage mit vielfältigen Lichtformern an erster Stelle. So hat er das Fotoshooting auf einer Leihkamera aufgenommen – die Blitzanlage war aber seine eigene. Mit Hilfe der Blitze gelang es ihm, die Bewegung von Tänzer und Farbe sowie den Ausdruck perfekt einzufrieren. Außerdem können die Akteure so stärker vom Hintergrund gelöst werden, treten deutlicher hervor, ohne dass sie sich in ihrer Farbigkeit oder Helligkeit von der bunten Pulverwolke abheben müssen.
„Fotografie“, so meint Harrashad, „ist für mich mehr als nur schöne Erinnerungen festzuhalten, mehr als Präsenz herzustellen. Es geht darum, dem Betrachter die Möglichkeit zu geben, ganz ins Bild abzutauchen und dabei gewissermaßen Ganzheit und Ewigkeit zu erfahren.“ Farbe trifft Tanz, trifft ins Herz.
Harrashad Kaamble
Harrashad Kaamble ist Dozent für Fotografie und Medienwissenschaft an der Ajeenkya DY Patil Universität in Pune, Indien. Seinen Studenten bringt er unter anderem bei, kreative Konzepte zu erarbeiten und detailgenau umzusetzen. Zudem arbeitet Harrashad freiberuflich als Fotograf im Bereich People- und Produktfotografie.
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