Jedes Foto hat eine Geschichte. Der Fotoapparat ist darin oft nur eine Randnotiz. Bei Bildern, die sich ins kollektive Gedächtnis brennen, wird die Kamera jedoch zum Backstage-Ticket, das einen neuen, einzigartigen Zugang zur Geschichte bietet. Dieses Ticket ist einzigartig – während das Foto beliebig oft kopiert werden kann, bleibt der Apparat stets ein Unikat. Dass solche Kameras zu begehrten Sammlerstücken avancieren, dürfte daher nicht überraschen. Dass die Hauptstadt dieser Kultobjekte in Österreich liegt, schon eher. Das Unternehmen Leica Camera Classics in Wien betreibt eine globale Vintage- und Auktionsplattform und versteigert zweimal pro Jahr die wertvollsten Fotoapparate der Welt – die nächste Leitz Photographica Auction findet am 12. Juni 2021 statt.

Ein Stück Zeitgeschichte

Der Absturz der Hindenburg 1937, Elliott Erwitts „California Kiss“ 1956, das weltberühmte Porträt Che Guevaras 1960, die Faust von Muhammad Ali 1966, der Schnauzbartträger mit Buch im Mund am „Sidewalk“ von Jeff Mermelstein 1995 – eine kleine Auswahl zeitgeschichtlich wie popkulturell relevanter Fotografien, die eines verbindet: Sie alle wurden mit Leica aufgenommen.  Seit ihr erstes Modell vor knapp hundert Jahren in Serienproduktion ging und die Kleinbildfotografie begründete, wird die Marke mit geschichtsträchtigen Schnappschüssen sowie Kameras assoziiert. Ganz besonders in Wien, wo das auf Raritäten spezialisierte Unternehmen Leica Camera Classics seinen Sitz hat.

Alexander Sedlak

„Bei uns laufen alle Fäden zusammen“, erklärt Geschäftsführer Alexander Sedlak. „Unsere Vintage Kamera Spezialisten haben sich über die Jahre ein profundes Knowhow erworben und suchen ständig weltweit nach Verkäufern seltener Kameras und prüfen die Stücke hier auf ihre Authentizität. Nicht jede Kamera ist dabei von Leica – wir sind an allen Fabrikaten interessiert. Zweimal im Jahr veranstalten wir die Leitz Photogaphica Auction, die größte und bedeutendste Versteigerung im Bereich Vintage Camera auf der ganzen Welt.“

Von 200 bis 150.000 Euro

LEICA MP2 CHROME c_Leica Camera Classics

Leica MP2 chrome

Die Preise der Fotoapparate und des Equipments, die bei der nächsten Auktion am 12. Juni unter den Hammer kommen, reichen von leistbar bis nahezu unerschwinglich. Die niedrigsten Startgebote beginnen bei 200 Euro – beispielsweise sind Broschüren und Werbeschilder ab diesem Betrag zu haben – das höchste beansprucht eine Leica MP2 chrome mit 150.000 Euro für sich. Diese Vintage Kamera wird auf einen Preis von 300.000 bis 350.000 Euro geschätzt.

Für die kommende Leitz Photographica Auction stehen bereits sämtliche Lose fest – 469 sind es insgesamt. Es werden Gebote von Bietern aus über 100 Ländern erwartet, die Anmeldung ist bis zum Auktionstag möglich. Wer via Telefon oder Internet mitbieten möchte, kann sich online registrieren. „Um live im Saal des Wiener Bristol Hotels teilzunehmen, muss man sich am 12. Juni vor Ort für die Auktion anmelden. Diese findet allerdings nur in physischer Form statt, sofern es die Corona-Maßnahmen erlauben“, ergänzt Alexander Sedlak.

Bis zum Nordpol und ins Weltall

Die Geschichten, die mit den Kameras verwoben sind, üben einen besonderen Reiz auf die Bieter aus. Bei der insgesamt 38. Leitz Photographica Auction sind es unter anderem zwei Exponate, die in dieser Hinsicht für Aufsehen sorgen. Die Leica MP 0.72 Silver Chrome des Fotografen Martin Hartley ist eine davon. Die Kamera begleitete den Briten 2010 und 2017 auf Expeditionen zum nördlichsten Punkt der Erde, dem geografischen Nordpol – der durch die schwindenden Eismassen des Polarmeers mittlerweile nicht mehr bereist werden kann.

„Am Beginn einer Expedition in die Arktische See können die Temperaturen schon mal unter 50 Grad Celsius fallen“, erklärte Martin Hartley nach seiner Rückkehr. Elektronische, batteriebetriebene Geräte seien bei solch widrigen Bedingungen nicht mehr zuverlässig. Er vertraute daher auf ein mechanisches Präzisionswerkzeug. „Ich habe die Leica MP um meinen Hals getragen, in einem wasserdichten Beutel, um zu verhindern, dass beim Ausatmen Tropfen auf dem Kamerasucher landen und dort festfrieren“, so Hartley. Gemeinsam mit seiner Leica werden am 12. Juni auch zwei am Nordpol entstandene Bilder des Fotografen versteigert. Als kleines Extra dürfen sich die Bieter zudem noch auf ein Fläschchen mit einer Wasserprobe freuen, die bei der Expedition im Mai 2010 genommen wurde.

Arsenal Kiev FK-6

Arsenal Kiev FK-6

Die zweite Kamera mit extravaganter Geschichte, die bei der nächsten Leitz Photographica Auction zu haben ist, kommt nicht aus dem Hause Leica. Die Arsenal Kiev FK-6 hat vermutlich einen noch längeren Weg zurückgelegt als Hartleys MP. Der Fotoapparat war im Juli 1975 Teil der ersten bemannten, internationalen Weltraummission von US-Astronauten und Sowjet-Kosmonauten. Letztere dürften den Apparat mit an Bord gebracht haben. Die Arsenal Kiev FK-6 wurde speziell für den Gebrauch in einer sauerstoffreichen Umgebung entwickelt und aus nicht entflammbaren Materialien hergestellt.

Der Schätzpreis von Martin Hartleys Leica MP 0.72 Silver Chrome liegt bei 6.000 bis 7.000 Euro, jener der Arsenal Kiev FK-6 bei 40.000 bis 50.000 Euro. Beide Kameras sind in einwandfreiem Zustand und nach wie vor funktionstüchtig.